„Am 10. Februar 1990 feiere ich meinen 10. Geburtstag. Zum ersten Mal in Freiheit. Freiheit, was auch immer dieses Wort bedeutet – schon seit einigen Jahren entdecke ich es an den Häuserwänden in meinem Bezirk. Zusammen mit: Regime, Stasi und Diktatur – doch die Berliner Mauer ist weg. Ich darf in die verbotene Zone gehen. Und werde nicht erschossen, wie es einem oft gesagt wurde, von Lehrern, Freunden und Metallschildern…“
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Südafrika ist in allen Nachrichten ein großes Thema. Schon als Kind entdecke ich die Zusammenhänge zwischen dem Ende der Apartheid und dem Ende der DDR Diktatur. Das Wort: Freiheit.
Nelson Mandela wird am 11. Februar 1990, einen Tag nach meinem Geburtstag, nach 27 Jahren Haft freigelassen.
Ich bin sehr stolz darauf, diese besondere Zeit mit diesem bedeutenden Mann teilen zu dürfen. Und jetzt lebe ich schon seit 3 Jahren in Johannesburg. Auf den Spuren von.
In Freiheit.
In den Farben meiner Kindheit.
In meinen Bildern.
Ich habe keine klassische Ausbildung der bildenden Künste. Punkt.
Die Lehrer. Und ihre Erfahrungen. Definiert als Ratschlag und Lehrinhalt.
Ich habe ein eigenes Leben. Einen eigenen Lehrinhalt. Wie kann man mir da etwas beibringen? Suche ich eine Antwort, kann ich auch fragen. Menschen mit Erfahrungen gibt es Millionen. Die Lücken zwischen den Fragen aber fülle ich selbst.
Ich will lernen. Aber meine Freiheit nicht verlernen.
In meinem Leben, in meiner Arbeit, zählt die Wahrheit. Der Kontakt zu meiner Kindheit. Füllte ich diese Wahrheit mit den Erfahrungen, den Wahrheiten Fremder, müsste ich die Meine erst wieder suchen.
Den Kontakt. Zu mir. Und meiner Kindheit.
Die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“.
Ein Leben lang verteidige ich sie. Bin auf Abwegen. Umwegen. Auswegen.
Die Angst vor der Mauer die sich wieder schließen kann. Ich muss rennen. Ich habe keine Zeit auf Fremde zu hören. Auch wenn ich sie schätze und respektiere. Nun, zumindest einige. Doch wissen sie nicht wie es ist zu rennen. Wie ich zu rennen.
Allein ich wähle meine Zeit. Verteidige sie. Und passe auf sie auf.
Wieviel habe ich noch?
Und wenn ich etwas nicht weiß, frage ich. Einen dieser qualifizierten Fremden. Ich nehme mir eine Auszeit. Vom Rennen. Höre zu. Bedanke mich aufrichtig. Doch dann muss ich weiter.
NEIN. Ich habe keine klassische Ausbildung. Hör auf zu fragen.
Die Mauer schließt sich. Jeder kann es sehen. Nicht jeder kann es fühlen.
Schau dich um. App dich um. Surf dich um.
Mein Studium der darstellenden Kunst? Ich war jung. Hätte ich lassen können. Und ich habe daraus gelernt.
Ich durfte einem Studium der bildenden Künste nicht ebenso die Zeit geben mich einzuschließen. Ich wollte rennen. Ich musste Leben. Erleben.
FREIHEIT.
1990.
Nelson Mandela und ich teilen den ersten Februar unseres Lebens in Freiheit – was dieses Wort bedeutet beginnen wir erst zu erfahren.
Die Angst vor der Mauer die sich wieder schließen kann. Mein Gefühl seit dem Mauerfall.
Mein zehnter Geburtstag, war mein erster Geburtstag ohne Diktatur. Ohne Mauer.
In Johannesburg zu leben macht mich stolz. Und diese besondere Zeit meines Lebens mit den Menschen aus diesem Land zu teilen, noch mehr.
ESKOM.
Mittlerweile haben wir 6-7 Stromausfälle am Tag. Und doch kommen wir alle klar. Hier und da geht ein Generator kaputt. Aber man gewöhnt sich an längere Strecken ohne fließende Elektrizität.
Ja klar nervt es. Vor allem wegen dem Kühlschrank…
Hinzu kommt dass man befürchten muss, dass die großen Geräte nicht mehr angehen oder defekt sind. Das Geld für eine Reparatur kann man von niemandem einfordern. Daran gehen auch viele Haushalte – nicht pleite – aber arm. In Deutschland würde man wahrscheinlich direkt aufschreien. Versicherungen, Hausverwaltungen, Besitzer, Politiker, Energieversorger – alle würden böse Briefe bekommen.
Die verwöhnte erste Welt.
Ich finde es gesund hier zu leben. Geduld geschult wie!
Nerven tut es trotzdem. Entwöhnung kann weh tun.
Die Kerze brennt.
Gerade sitze ich auf dem Balkon. Wir haben Winter. Ich trage eine kurze Hose und ein T-Shirt. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen. Ich habe mir einen Rum/rote Grapefruit Drink gemacht. Ich schaue in den Horizont. Andere Häuser haben auch keinen Strom. Hier ein Foto das ich mit dem Rechner mache. Im Vordergrund der Drink. Im Abgrund, die dunkle Fläche – alles Häuser. Dahinter, Häuser mit Generator…
Die Eiswürfel klimpern. Niemand meckert.
Ich hoffe der Kühlschrank geht früh genug an und ich muss nichts aufwischen.
Ist halt so.
Lieferservice funktioniert noch. Ich bestelle mir etwas zu essen. Ich hoffe das Restaurant hat einen Generator…
Hier gibt’s Uber Eats. Gibt’s das in Deutschland?
So, Essen bestellen. Tschüss.
Alleine in Johannesburg. Meine Freundin ist in Benin. Und von den Wenigen die ich hier kenne, hat niemand Zeit etwas zu unternehmen. 3 Leute…
Mir fehlen Freunde. Und in Johannesburg lernt man niemanden kennen. Das soziale Leben findet in Autos, Malls und hinter Mauern statt. Wenn man sich treffen will, muss man Auto fahren. Ein Taxi bestellen. Nicht jeder kann sich “nur mal so” ein Taxi leisten. Nicht jeder hat ein Auto. Also trifft man niemanden.
Einsamkeit.
Ich male ein Bild.
„Wer bin ich.“
Wenn die Zeit zu kurz ist um ein Herz zu öffnen.
Ugh. Seit 3 Tagen verursacht mir die Arbeit am Werk “Die Astronautin” eine Depression. Gerade komme ich vom Sport wieder und noch immer habe ich keine Lösung für die Komposition. Am Anfang denke ich “Das wird einfach.”, doch dann hört dieses Gefühl nicht auf, immer mehr zu verändern. Und am Ende verändere ich so viel, dass ich das Gefühl habe ich muss das Werk verbrennen… ich habe alles zerstört. Mehrere Monate Arbeit, einfach hin…
Ich leide.
Zum Glück habe ich Erfahrungen mit diesen Situationen. Ich mein Bild hasse. Es mich traurig macht. Wütend.
Mir eine Depression schenkt…
Doch meistens geht es gut aus. Das Werk hat Leidenschaft. Jedenfalls habe ich gelitten. Und ohne diese Wutanfälle wäre ich nie da hin gekommen.
Mein Standardgedanke: „Ich leide? Lass was draus machen. Wird gut.“
Essen ist an der Tür. Das Restaurant hat einen Generator. Bis gleich.
Oft ähnelt die Restaurant Atmosphäre in Südafrika der Atmosphäre einer Spielhalle. Telefone und iPads auf den Nachbartischen. Laut, jede:r kann mithören – und wer will, mit sehen… Und überhaupt, wo man laufen, sitzen, stehen kann und darf – jede:r lebt mit dem Handy “auf Lautsprecher”… Anstrengende Lärmzustände.
NEIN! ICH WILL DAS NICHT HÖREN!
Noise Pollution. Noise Evolution? Noise Revolution… wird nie kommen.
Ein Kulturunterschied.
Na gut. Essen wird kalt.
Der Strom ist zurück.
R.